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Kassel – die geografische Mitte Deutschlands und mittendrin das Staatstheater Kassel. Alle fünf Jahre wird Kassel sogar zum Mittelpunkt der Welt, zumindest der Kunstwelt, wenn die documenta hier stattfindet.
Aber Kassel hat viel mehr zu bieten: Hier steht Deutschlands ältester Theaterbau. Unter Landgraf Moritz dem Gelehrten entsteht 1605 der erste geschlossene Theaterbau Deutschlands. Geprägt wird das Haus bis ins 19. Jahrhundert vor allem durch das Musiktheater. Louis Spohr, der neben Paganini zu den größten Geigern seiner Zeit zählte, war in Kassel Kapellmeister und Opernkomponisten. Und auch Gustav Mahler war am Kassler Hoftheater. 1909 bekommt die Stadt ein neues Theatergebäude, unter Mitwirkung von Kaiser Wilhelm II., der Schloss Wilhelmshöhe als Sommerresidenz nutzte.
Aber mit der Pracht ist es bald wieder vorbei. Nach dem Zweiten Weltkrieg liegen 80 Prozent der Wohnhäuser Kassels in Trümmern, Kassel gehört zu den am schwersten zerstörten Städten Deutschlands. Von den Fachwerk- , Pracht- und Patrizierhäuser ist kaum etwas übrig und auch das Theater ist eine Ruine. Die Frage, die sich damals stellt, ist die gleiche wie in anderen Städten des Landes: Soll alles wieder so aufgebaut werden wie zuvor oder zeigt sich der Neuanfang nach dem Krieg auch in der Architektur und im Städtebau. Die Entscheidung fällt für den Neubau: Kassel bekommt das zu dieser Zeit größte Theater Deutschlands. Und nebenbei entsteht eine neue Stadt. Eine Stadt mit eher herbem architektonischen und städtebaulichen Charme. Wie viele andere deutsche Städte soll sie autogerecht sein, quadratisch, praktisch, gut, das gilt seinerzeit als modern. So modern, dass Kassel die erste offizielle Fußgängerzone Deutschlands bekommt.
Die 50er Jahre sind in vieler Hinsicht eine Zeit des Neuanfangs. Dazu gehört auch die documenta. Als Rahmenprogramm zur Bundesgartenschau wird eine Ausstellung eröffnet, die Kunst präsentiert, die die Nazis als "entartet" bezeichnet hatten. In den 68er bekommt Kassel dann ganz zeitgemäß seinen Theaterskandal: Die Atmosphäre entzündet sich an einer Inszenierung von "Lysistrata", für die Niki de Saint Phalle, die damals auch Documenta-Teilnehmerin war, die Ausstattung entworfen hat - mit den für sie typischen, farbenfrohen Vergrößerungen der Geschlechtsteile. Die Zeiten sind lange vorbei als Zuschauer wegen eines solchen Bühnenbilds türenknallend den Saal verließen, heute braucht es schon mehr, um die Kasselaner aus ihrem Theater zu treiben.
In der aktuellen Folge "Theaterlandschaften" führt Esther Schweins durch den Schlosspark Wilhelmshöhe und zum Wahrzeichen Kassels, dem Herkules, Hans Eichel erzählt von seiner Schulzeit in Kassel und den Debatten um den Theaterneubau nach dem Krieg und Otto Sander von den Anfängen seiner Schauspielkarriere auf der Bühne des Staatstheaters Kassel.
Erstausstrahlung: 1. Mai 2010, 19:00 Uhr, ZDFtheaterkanal.